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BGH zur Wirecard-Insolvenz: Aktionärsansprüche sind keine einfachen Insolvenzforderungen

BGH, Urteil vom 13.11.2025 – IX ZR 127/24

Die Aufarbeitung des Wirecard-Skandals hat einen weiteren rechtlich entscheidenden Meilenstein erreicht. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13. November 2025 klargestellt: Kapitalmarktrechtliche Schadensersatzansprüche von Aktionären sind in der Insolvenz nicht als einfache Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) zu behandeln.

Für Insolvenzverwalter, institutionelle Gläubiger, aber auch für Gesellschafter und Investoren, hat diese Entscheidung erhebliche praktische Bedeutung. Sie verschiebt die Rangordnung in der Insolvenz klar zugunsten der Fremdgläubiger.

Der Fall

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Wirecard AG meldeten rund 50.000 Aktionäre Schadensersatzansprüche in Höhe von etwa 8,5 Milliarden Euro zur Insolvenztabelle an. Die Gesamtforderungen beliefen sich auf ca. 15,4 Milliarden Euro, während die verfügbare Insolvenzmasse lediglich rund 650 Millionen Euro betrug.

Eine institutionelle Anlegerin machte geltend, sie sei durch falsche Ad-hoc-Mitteilungen zum Erwerb der Wirecard-Aktien verleitet worden und verlangte Schadensersatz, angemeldet als einfache Insolvenzforderung nach § 38 InsO.

Der Insolvenzverwalter widersprach dieser Einordnung. Zu Recht, wie der BGH nun entschieden hat.

Die Kernaussage des BGH

Der Bundesgerichtshof stellt unmissverständlich klar:
Kapitalmarktrechtliche Schadensersatzansprüche von Aktionären sind insolvenzrechtlich nachrangig.

Sie sind so eng mit der Gesellschafterstellung verknüpft, dass sie nicht mit Forderungen externer Gläubiger gleichgestellt werden dürfen.

Damit hat der BGH das Berufungsurteil des OLG München aufgehoben und die klageabweisende Entscheidung des LG München I wiederhergestellt.

Warum sind Aktionärsansprüche nachrangig?

Die Entscheidungsgründe sind von grundsätzlicher Bedeutung für das Insolvenz- und Gesellschaftsrecht:

1. Nähe zur Gesellschafterstellung
Der Schadensersatzanspruch entsteht ausschließlich wegen der Beteiligung als Aktionär. Ohne Aktienerwerb, kein Anspruch. Damit unterscheidet er sich strukturell von klassischen Insolvenzforderungen.

2. Kein Fremd-, sondern Beteiligungsrisiko
Wirtschaftlich dient der Anspruch dem Ausgleich einer fehlgeschlagenen Investition in die eigene unternehmerische Beteiligung. Dieses Risiko trägt im Insolvenzfall grundsätzlich der Gesellschafter, nicht die Masse.

3. Verteilungskonflikt innerhalb der Gläubiger
In der Insolvenz geht es nicht mehr um Haftung für Kapitalmarktverstöße, sondern um die Verteilung einer knappen Masse. In diesem Konflikt sind Fremdgläubiger (z. B. Banken, Anleihegläubiger, Lieferanten) vorrangig zu befriedigen.

4. Täuschung allein genügt nicht
Auch vorsätzliche Täuschung über kursrelevante Tatsachen ändert nichts daran, dass Zweck des Rechtsgeschäfts der Erwerb einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung war, mit allen damit verbundenen Risiken.

§ 38, § 39 oder § 199 InsO?

Der BGH hat ausdrücklich nicht entschieden, ob solche Aktionärsansprüche zu berücksichtigen sind.

Entschieden wurde jedoch eindeutig:
Ein Rang als einfache Insolvenzforderung nach § 38 InsO scheidet aus.

Warum das Urteil weit über Wirecard hinausgeht

Diese Entscheidung ist kein Einzelfallurteil, sondern ein Grundsatzurteil:
Investoren und Aktionäre müssen berücksichtigen, dass ihre Ansprüche im Insolvenzfall regelmäßig leer laufen können, selbst bei schwerwiegenden Täuschungen.

Gerade bei börsennotierten Gesellschaften mit Krisenrisiko ist diese Einordnung für Risikoanalyse, Asset-Allokation und Litigation-Strategie zentral.

Der Bundesgerichtshof stärkt mit diesem Urteil konsequent die insolvenzrechtliche Rangordnung und bestätigt:

Wer sich beteiligt, trägt das Beteiligungsrisiko, auch insolvenzrechtlich.
Für Unternehmen, Investoren und Insolvenzverwalter ist das Urteil ein wichtiger Kompass im Spannungsfeld von Kapitalmarktrecht, Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht.

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