Referenzzeitraum zur Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs:
Mindestlohn zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
veröffentlicht am 31.08.2025 -
Rechtsanwältin Mihriban
Bircan-Paul
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 3. Juni 2025 (Az. 9 AZR 137/24)
eine für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen bedeutsame Entscheidung
zur
Berechnung von Urlaubsabgeltungsansprüchen getroffen. Danach ist für die
Höhe des Anspruchs der
gesetzliche Mindestlohn zum Zeitpunkt der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses maßgeblich – nicht der im Urlaubsjahr geltende.
Der Fall
Die Klägerin war über fast zehn Jahre beschäftigt und hatte einen Jahresurlaub von 26
Tagen. Für das Jahr 2018 verblieben 16 Resturlaubstage, die wegen Krankheit nicht
mehr genommen werden konnten. Nach ihrer Erwerbsminderungsrente endete das
Arbeitsverhältnis im Mai 2022.
Die zentrale Streitfrage: Soll die Abgeltung dieser Urlaubstage nach dem Mindestlohn
aus 2018 (8,84 €) oder nach dem im Jahr 2022 geltenden Mindestlohn (9,82 €)
berechnet werden?
- Die Arbeitgeberin wollte den niedrigeren Wert aus 2018 zugrunde legen.
- Die Arbeitnehmerin forderte die Berechnung auf Basis des höheren Mindestlohns von 2022.
Entscheidung des BAG
Das BAG bestätigte die Vorinstanz (LAG Hessen) und sprach der Klägerin 942,72€
brutto für 16 Urlaubstage zu.
Die wesentlichen Aussagen:
- Referenzzeitpunkt ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
- Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub, der wegen Beendigung nicht mehr genommen werden kann, in Geld abzugelten.
- Für die Berechnung ist nach § 11 BUrlG auf die „gewöhnliche Vergütung“ in den letzten 13 Wochen vor Beendigung abzustellen.
- Mindestlohn bildet Untergrenze.
- Selbst wenn keine reale Vergütung mehr gezahlt wird (hier: Erwerbsminderungsrente), ist der Anspruch nach dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen.
- Eine Kürzung wegen unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsminderung ist ausgeschlossen.
- Unionsrecht verlangt volle Gleichstellung.
- Nach Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie muss Urlaubsabgeltung dem „gewöhnlichen Arbeitsentgelt“ entsprechen.
- Arbeitnehmer sollen wirtschaftlich so gestellt werden, als hätten sie gearbeitet.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung schafft Klarheit für die Berechnung
von Urlaubsabgeltungsansprüchen:
- Arbeitgeber müssen bei der Abgeltung stets den Mindestlohn zum Zeitpunkt des Ausscheidens berücksichtigen – auch rückwirkend für lange zurückliegende Urlaubsansprüche.
- Arbeitnehmer profitieren, da sie bei verspäteter Beendigung oder langjähriger Krankheit höhere Abgeltungsansprüche geltend machen können.
- HR und Lohnbuchhaltung sollten Urlaubsrückstellungen entsprechend kalkulieren.
Mit diesem Urteil stellt das BAG klar: Für die Höhe der Urlaubsabgeltung zählt der
Zeitpunkt des Ausscheidens, nicht das Urlaubsjahr. Arbeitgeber können sich nicht auf
frühere, niedrigere Vergütungssätze berufen. Arbeitnehmer behalten ihren Anspruch
auf eine wertgerechte Abgeltung auch dann, wenn der Urlaub aus früheren Jahren stammt.
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ETIQUE Legal – Rechtsanwältin Bircan-Paul als Expertin für Arbeitsrecht auf Arbeitgeberseite.