veröffentlicht am 21.09.2025 -
Rechtsanwältin Mihriban
Bircan-Paul
Hintergrund
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte sich mit der Frage zu
befassen, ob eine Studentin die von ihrem späteren Arbeitgeber übernommenen
Studienkosten zurückzahlen muss, nachdem sie ein Beschäftigungsangebot nach
Studienabschluss nicht angenommen hatte.
Der Kläger, ein Physiotherapiepraxis-Inhaber, hatte die Studiengebühren der
Beklagten während ihres Bachelorstudiums finanziert. Im Gegenzug verpflichtete sich
die Studentin in einer formularmäßigen Vereinbarung, die Kosten zu erstatten, wenn
sie entweder das Studium nicht erfolgreich abschließt oder ein nach Studienende
angebotenes Anstellungsverhältnis nicht antritt. Zusätzlich war eine Bindungsdauer
von fünf Jahren vorgesehen.
Nach Studienabschluss lehnte die Beklagte das angebotene Arbeitsverhältnis ab.
Der Arbeitgeber forderte daraufhin knapp
10.800 Euro zurück.
Die Entscheidung
Sowohl das Arbeitsgericht Rostock als auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern
wiesen die Klage ab.
Das Gericht erklärte die Rückzahlungsklausel für
unwirksam, weil sie die Studentin
unangemessen benachteilige (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Entscheidende Punkte
waren:
- Keine Differenzierung nach Gründen der Ablehnung: Die Klausel sah eine
Rückzahlungspflicht selbst dann vor, wenn die Studentin das Angebot aus
Gründen ablehnen musste, die nicht in ihrer Verantwortung lagen (z. B.
gesundheitliche Gründe oder unzureichende Vertragsbedingungen).
- Überlange Bindungsdauer: Eine Bindung von fünf Jahren nach
Studienabschluss sei im Verhältnis zu den übernommenen Kosten deutlich zu lang.
- Unangemessene Höhe: Die vereinbarte Rückzahlungsregelung hätte im
Ergebnis sogar zu einer höheren Erstattungspflicht geführt, als tatsächlich
aufgewandt worden war.
- Kein rechtzeitiges, angemessenes Angebot: Das vom Arbeitgeber unterbreitete
Beschäftigungsangebot erfüllte nicht die vertraglichen Anforderungen,
insbesondere fehlte es an einer fristgerechten unbefristeten Vollzeitstelle nach Studienende.
Das Urteil bestätigt die strenge Linie der Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln
bei Fort- und Ausbildungskosten:
- Rückzahlungspflichten dürfen die grundrechtlich geschützte freie Berufswahl (Art. 12 GG) nicht unverhältnismäßig einschränken.
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht für Umstände haften, die außerhalb ihrer eigenen Sphäre liegen.
- Bindungsdauer und Rückzahlungsbetrag müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Ausbildung und den Kosten stehen.
Bedeutung in der Praxis
Für Arbeitgeber zeigt die Entscheidung einmal mehr:
- Standardisierte Vertragsmuster sind riskant. Rückzahlungsklauseln müssen sorgfältig formuliert und an die Rechtsprechung angepasst sein.
- Klauseln ohne Ausnahmen – etwa für gesundheitliche Gründe oder arbeitgeberseitig veranlasste Kündigungen – sind regelmäßig unwirksam.
- Angemessene Bindungsfristen bewegen sich je nach Ausbildungstyp meist zwischen zwei und drei Jahren.
Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil:
- Rückzahlungsforderungen aus pauschalen AGB-Klauseln sind oft angreifbar.
- Die bloße Ablehnung eines Arbeitsangebots nach der Ausbildung löst nicht automatisch eine Rückzahlungspflicht aus.
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern stärkt mit dieser Entscheidung die Rechte von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Studien- und Fortbildungsfinanzierungen.
Arbeitgeber sind gut beraten, bestehende Vertragsmuster zu überprüfen und
rechtssicher zu gestalten, um spätere Rückforderungsprozesse zu vermeiden.
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ETIQUE Legal – Rechtsanwältin Bircan-Paul als Expertin für Arbeitsrecht auf Arbeitgeberseite.