veröffentlicht am 31.10.2025 -
Rechtsanwältin Mihriban
Bircan-Paul
Urteil vom 30.10.2025 – 2 AZR 160/24
Wie lange darf eine Probezeit dauern, wenn ein Arbeitsverhältnis befristet ist?
Diese Frage betrifft viele Arbeitgeber, die befristet einstellen, ob im Projektgeschäft,
zur Elternzeitvertretung oder zur Erprobung neuer Mitarbeiter. Das Bundesarbeitsgericht (BAG)
hat nun klargestellt:
Eine starre Obergrenze gibt es nicht. Entscheidend sind die konkreten
Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Dauer und Komplexität der Einarbeitung.
Der Fall: Ein Jahr befristet – vier Monate Probezeit
Eine Arbeitnehmerin war für ein Jahr befristet beschäftigt. Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin
vereinbarten eine
Probezeit von vier Monaten mit einer
zweiwöchigen Kündigungsfrist.
Kurz vor Ende der Probezeit erhielt die Mitarbeiterin die Kündigung. Sie hielt die Probezeit
für
zu lang und damit unwirksam. Nach ihrer Ansicht sei nur eine Probezeit von etwa drei Monaten (25 % der Befristungsdauer) zulässig.
Das
LAG folgte zunächst dieser Argumentation teilweise und „deckelte“ die Probezeit auf drei Monate.
Doch das
BAG sah das anders.
BAG: Keine starre 25 %-Regel! Maßstab ist die Tätigkeit
Das Bundesarbeitsgericht betont in seiner aktuellen Entscheidung:
„Einen Regelwert für die zulässige Dauer einer Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen gibt es nicht.“
Die Angemessenheit müsse immer im Einzelfall beurteilt werden. Entscheidend sei, welche Einarbeitung notwendig ist,
um die Arbeitsleistung sinnvoll beurteilen zu können.
Im konkreten Fall hatte die Arbeitgeberin einen 16-wöchigen Einarbeitungsplan mit mehreren Lernphasen vorgelegt.
Für das BAG war die Probezeit von
vier Monaten daher verhältnismäßig.
Wichtiger Klarstellungspunkt: Keine Verkürzung der KSchG-Wartezeit
Das BAG stellte außerdem klar:
Selbst wenn eine Probezeit überlang wäre, hätte dies
keinen Einfluss auf die sechsmonatige Wartezeit
nach § 1 Abs. 1 KSchG. Der Kündigungsschutz nach dem KSchG beginnt also
immer erst nach sechs Monaten, unabhängig davon,
ob die Probezeit kürzer oder länger vereinbart wurde.
Praktische Bedeutung für Arbeitgeber
Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil:
- Eine Probezeit darf auch länger als drei Monate dauern, wenn die Tätigkeit oder die Einarbeitung dies rechtfertigt.
- Es gibt keine feste Quote (z. B. 25 %) zwischen Befristungsdauer und Probezeit.
- Wichtig ist, dass sich die Dauer sachlich begründen lässt (z. B. durch einen strukturierten Einarbeitungsplan oder
durch die Komplexität der Aufgaben).
- Selbst bei einer formell zu langen Probezeit bleibt die gesetzliche Wartezeit von sechs Monaten unberührt.
Fazit von ETIQUE Legal
Das BAG stärkt mit dieser Entscheidung die
Gestaltungsfreiheit von Arbeitgebern.
Wer befristet einstellt, darf die Probezeit
flexibel an den tatsächlichen Einarbeitungsbedarf
anpassen,
solange dies sachlich begründbar ist. Eine pauschale Grenze gibt es nicht.
Unternehmen sollten daher
ihre Vertragsmuster prüfen und sicherstellen, dass die vereinbarte
Probezeit im Verhältnis zu Dauer und Komplexität der Tätigkeit steht.
Praxistipp: Dokumentieren Sie im Zweifel den Einarbeitungsplan oder die Lernphasen. So können
Sie bei einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung leicht nachweisen, dass die Probezeit angemessen war.
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ETIQUE Legal – Rechtsanwältin Bircan-Paul als Expertin für Arbeitsrecht auf Arbeitgeberseite.