veröffentlicht am 04.08.2025 -
Rechtsanwältin Mihriban
Bircan-Paul
Worum ging es?
Im Fokus stand ein Geschäftsführer, der zwischen 2013 und 2016 mehrere
Gesellschaften eines Containervertriebs leitete. Diese betrieben faktisch ein
Schneeballsystem. Anleger investierten in Container, die nie geliefert wurden. Die
Mieten für Altanleger wurden mit dem Geld neuer Anleger finanziert.
Die Gesellschaften waren spätestens ab 2011 überschuldet. Der Geschäftsführer stellte
aber keinen Insolvenzantrag. Stattdessen lief das System weiter bis es 2018
zusammenbrach. Die Klägerin investierte in dieser Zeit viermal. Einmal
sogar nachdem der Geschäftsführer abberufen worden war.
Haftet der ausgeschiedene Geschäftsführer auch für Schäden, die nach seiner Amtszeit entstehen?
Die Entscheidung des BGH
Ja! Der BGH entschied, dass ein ausgeschiedener Geschäftsführer weiter haftet, wenn
seine unterlassene Insolvenzanmeldung eine fortbestehende
Gefahrenlage geschaffen hat – und diese zum Schaden beiträgt.
„Der aus dem Amt ausgeschiedene Geschäftsführer haftet auch für Schäden von
Neugläubigern, wenn die durch seine Pflichtverletzung geschaffene Gefahr im
Zeitpunkt der Schadensentstehung noch fortbesteht.“
Mit anderen Worten: Die Verantwortlichkeit endet nicht automatisch mit dem
Ausscheiden. Wer durch pflichtwidriges Nicht-Handeln (z. B. keine
Insolvenzanmeldung trotz Überschuldung) eine gefährliche Lage verursacht hat, bleibt
in der Haftung, solange diese Gefahr andauert.
Was heißt das für die Praxis?
Für Geschäftsführer:
- Vorsicht bei Fortführung kriselnder Gesellschaften! Wer zu spät Insolvenz anmeldet, kann sich nicht durch Rücktritt oder Abberufung enthaften.
- Die persönliche Haftung kann auch dann noch greifen, wenn nachfolgende Geschäftsleiter Verträge abschließen. Hauptsache, die ursprüngliche Pflichtverletzung war (mit-)ursächlich.
- Bei Insolvenzreife gilt: Sofort handeln, sauber dokumentieren, notfalls insolvenzrechtliche Beratung einholen.
Für Geschäftsführer:
- Nachhaftung prüfen! Bei Insolvenzen mit langem Vorlauf (z. B. Schneeballsysteme, stille Überschuldung) sollte genau analysiert werden, welche Organpersonen potenziell haften, auch über deren Amtszeit hinaus.
- D&O-Versicherungsschutz im Blick behalten: Wird der ehemalige Geschäftsführer in Anspruch genommen, kann auch hier Streit entstehen.
Der BGH betont mit diesem Urteil den Schutz von Neugläubigern und macht klar:
Wer durch Pflichtverletzungen eine Schieflage fortbestehen lässt, muss auch später für
daraus resultierende Schäden geradestehen. Das Urteil ist insbesondere für
Geschäftsleiter in Krisengesellschaften ein Weckruf.
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