veröffentlich am 17.07.2025 -
Rechtsanwältin Mihriban
Bircan-Paul
Warum dieses Urteil hohe Wellen schlägt
Haften Geschäftsführer persönlich für Kartellbußgelder, die gegen ihr
Unternehmen verhängt werden? Und kann ein Unternehmen Regress nehmen,
wenn ein Geschäftsführer ein wettbewerbswidriges Verhalten zu
verantworten hat?
Der Bundesgerichtshof hat diese bislang umstrittene Frage nun
dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss
vom 11.02.2025 – Az. KZR 74/23).
Die Entscheidung ist ein echter Meilenstein, denn sie betrifft ein
zentrales Spannungsfeld zwischen nationalem Gesellschaftsrecht und
dem europäischen Kartellrecht.
Der Fall
Hintergrund ist ein Fall aus der Stahlbranche:
Die Europäische Kommission hatte gegen mehrere Unternehmen, darunter auch eine GmbH,
hohe Kartellbußgelder verhängt, weil diese in Preisabsprachen verwickelt waren
(„Edelstahlkartell“). Das betroffene Unternehmen musste 4,1 Millionen Euro zahlen.
Zusätzlich wurde gegen einen ehemaligen Geschäftsführer ein persönliches Bußgeld von
126.000 Euro festgesetzt. Das Unternehmen verlangte nun vom ehemaligen
Geschäftsführer Schadensersatz und Regress – unter anderem für das gegen das Unternehmen
verhängte Bußgeld sowie für interne Verteidigungskosten (z. B. Anwaltskosten, IT-Forensik
etc.).
Sowohl das Landgericht Düsseldorf als auch das OLG Düsseldorf wiesen die Klage ab. Die
Begründung lautete: Ein Regress des Unternehmens für ein EU-Kartellbußgeld
sei europarechtswidrig, weil dies den Sanktionscharakter der Geldbußen untergraben würde.
Die BGH-Entscheidung: Vorlage zum EuGH
Der BGH sieht die Sache differenzierter und hält die Frage für
europarechtlich nicht
geklärt.
Deshalb legt der Kartellsenat des BGH die Frage dem EuGH zur Entscheidung vor:
„Darf ein Unternehmen von einem Organmitglied Ersatz für ein gegen das Unternehmen
verhängtes Kartellbußgeld verlangen oder verstößt das gegen Art. 101 AEUV und das
Sanktionssystem des Unionsrechts?“
Die Antwort hat
Reichweite für ganz Europa, denn vergleichbare Regelungen gibt es auch
in Österreich, Frankreich, den Niederlanden und vielen weiteren EU-Mitgliedstaaten.
Das Thema ist für Unternehmen hochrelevant ist
1. Compliance wird zur persönlichen Verantwortung
Wenn Geschäftsführer künftig auch für Unternehmensbußgelder persönlich
regresspflichtig sein können, steigen ihre Risiken deutlich.
D.h., Unternehmen müssen ihre Compliance- und Kontrollstrukturen entsprechend anpassen,
auch, um Regress überhaupt durchsetzen zu können.
2. Vertragliche Regelungen werden entscheidend
In vielen Geschäftsführerverträgen fehlt bislang eine ausdrückliche Rückgriffsklausel für
Kartellbußgelder.
Nach deutschem Recht besteht eine allgemeine Haftung für Pflichtverletzungen, doch ob dies
auch bei öffentlich-rechtlichen Sanktionen aus dem EU-Kartellrecht gilt, ist nun offen.
3. D&O-Versicherung ist keine Lösung
Wichtig: Die meisten D&O-Versicherungen decken keine Kartellbußgelder ab – und in vielen
Fällen auch keine Regressansprüche für solche Verstöße.
Unternehmen sollten bestehende Policen jetzt prüfen und auf Sonderlösungen setzen, wenn
verfügbar.
4. Risikoverlagerung auf Compliance-Strukturen
Unabhängig vom Ausgang beim EuGH: Der Fall zeigt, dass Unternehmen eigene Pflichten
zur Prävention, Kontrolle und Dokumentation stärken müssen, beispielsweise durch:
- Schulungen für Führungskräfte
- klare Melde- und Prüfwege
- dokumentierte Entscheidungsfindung (Business Judgment Rule)
- interne Kontrollsysteme
Jetzt vorbereitet sein – unabhängig vom EuGH-Urteil
Ob der EuGH Regress zulässt oder nicht: Die wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen
Risiken von Kartellverstößen sind enorm. Unternehmen und Geschäftsführer sollten
jetzt
handeln, um die Folgen zu begrenzen und die richtigen Vorkehrungen zu treffen.
Wer heute dokumentiert, delegiert und regelt, kann morgen rechtssicher entscheiden und
schützt sowohl sich selbst als auch sein Unternehmen.
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