veröffentlich am 17.07.2025 -
Rechtsanwältin Mihriban Bircan-Paul
Annahmeverzugslohn trotz Freistellung – was Sie als Arbeitgeber jetzt
unbedingt wissen müssen
Was gilt, wenn ein Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist freigestellt
wird?
Muss er sich um eine neue Stelle bemühen oder darf er nichts tun und
trotzdem Gehalt verlangen?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 12. Februar 2025 entschieden: Wird
ein Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist
freigestellt,
muss er
keine aktiven Bewerbungsbemühungen nachweisen.
Freigestellte Arbeitnehmer müssen sich während der Kündigungsfrist nicht
neu bewerben.
5 AZR 127/24
Hintergrund
Ein Arbeitgeber kündigte einem Senior Consultant ordentlich zum 30. Juni 2023 und stellte
ihn
einseitig, unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung frei.
Während dieser Freistellung schickte der Arbeitgeber mehrere passende Stellenangebote. Der
Arbeitnehmer bewarb sich jedoch erst gegen Ende der Kündigungsfrist.
Als der Arbeitgeber das Juni-Gehalt einbehielt, klagte der Arbeitnehmer und bekam Recht.
„Ein Arbeitnehmer ist nicht böswillig im Sinne von § 615 Satz 2 BGB, wenn er in der
Kündigungsfrist keine Bewerbungsbemühungen unternimmt.“
BAG-Urteil vom 12.02.2025 – Die 3 Kernaussagen
1. Keine Pflicht zur Jobsuche bei Freistellung
„Ein freigestellter Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, sich während der Kündigungsfrist aktiv
um anderweitige Beschäftigung zu bemühen.“
—
BAG, Urteil v. 12.02.2025, Az. 5 AZR 127/24Selbst wenn Arbeitgeber passende Angebote unterbreiten, besteht
keine
Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers.
2. Annahmeverzug durch einseitige Freistellung
Eine
einseitige Freistellung ohne sachlichen Grund führt regelmäßig zu Annahmeverzug
(§ 615 BGB).
Das bedeutet: Der Arbeitgeber bleibt zur Lohnzahlung verpflichtet, auch ohne
Arbeitsleistung.
3. Keine Anrechnung fiktiven Verdienstes ohne klare Regelung
Im konkreten Fall enthielt der Arbeitsvertrag nur eine
Klausel zur Anrechnung tatsächlich
erzielten Verdienstes, nicht eines Fiktiven.
Ergebnis:
Keine Kürzung des Gehalts möglich.
Was bedeutet das für Arbeitgeber in der Praxis?
1. Arbeitsverträge präzise gestalten
Wollen Sie fiktiven Verdienst anrechnen? Dann brauchen Sie eine
ausdrückliche
Regelung im Vertrag. Standardklauseln zur Anrechnung „anderweitigen Verdienstes“ reichen
nicht mehr aus.
2. Freistellungen strategisch einsetzen
Freistellung ≠ Kostenfreiheit
Sie bleibt in der Regel mit vollem Vergütungsrisiko verbunden. Nutzen Sie Freistellungen
daher
nur, wenn sachlich gerechtfertigt (z. B. Schutz von Geschäftsgeheimnissen,
Konfliktvermeidung).
3. Wettbewerbsverbot klar regeln
Während der Freistellung gilt das
vertragliche Wettbewerbsverbot weiter, es sei denn, es
wird ausdrücklich aufgehoben.
Achtung: Ohne Aufhebung
darf sich der Arbeitnehmer nicht bei Konkurrenten
bewerben – selbst wenn er es wollte.
4. Freistellungsvereinbarungen prüfen
Besser ist eine
widerrufliche Freistellung, um Flexibilität zu behalten.
Es sollte klargestellt werden, dass der Arbeitnehmer verpflichtet bleibt, sich um neue
Beschäftigung zu bemühen (sofern zulässig formuliert).
In manchen Fällen kann es wirtschaftlich sinnvoller sein, den Arbeitnehmer regulär zu
beschäftigen.
Checkliste für Arbeitgeber: So vermeiden Sie hohe
Nachzahlungen
Freistellungsart eindeutig geregelt (widerruflich/unwiderruflich)?
Schriftliche Hinweise zur Bewerbungsobliegenheit vorhanden?
Vermittlungsbemühungen durch Arbeitgeber dokumentiert?
Anrechnungsklauseln rechtssicher formuliert?
die E-Mail-Adresse
Besteht ein Interesse, auf Freistellung zu verzichten?
Fazit: Arbeitgeber müssen jetzt umdenken
Das Urteil des BAG vom 12.02.2025 verschärft das Risiko für Unternehmen bei der
Freistellung von Arbeitnehmern erheblich.
Ohne klare Vertragsregelung und strategisches Vorgehen drohen hohe
Lohnnachzahlungen, verlorene Prozesse und Imageschäden.
Lassen Sie jetzt Ihre Vertragsmuster, Freistellungsprozesse und Kündigungsvorlagen rechtlich
prüfen und an die neue Rechtsprechung anpassen.
Wir unterstützen Sie dabei! Kompetent, präzise und individuell.
Jetzt Beratung anfordern
ETIQUE Legal – Rechtsanwältin Bircan-Paul als Expertin für Arbeitsrecht auf
Arbeitgeberseite.